Monthly Archive for May, 2013

Suizid im Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt – Demo und Gedenken am 03.06.

Am Dienstag (28.05.2013) hat sich ein junger Mann aus dem Tschad, der seit zwei Monaten in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt leben musste, das Leben genommen.
Andere Geflüchtete aus dem Lager berichten, dass sich der 21 jährige kaum aus seinem Zimmer bewegt hat, insbesondere da ihm die notwendige medizinische Betreuung vorenthalten wurde.
Am Montag, den 03.06. soll eine Demo in Eisenhüttenstadt stattfinden, zu der wir nun um so dringlicher Aufrufen! Den fürchterlichen (Lebens-)Bedingungen im Lager muss ein Ende gesetzt werden!

Hier der Aufruf der protestierenden Geflüchteten:
Refugee Protest Demo in Eisenhüttenstadt
Against Lager, Residenzpflicht & Deportation
Monday, 03.06.2013, 4pm at the “Erstaufnahmelager” Eisenhüttenstadt

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Rassismus Tötet!: 27.5. in Oschatz – Gedenkveranstaltung für Andre K.*

Hier ein Hinweis auf eine Gedenkveranstaltung von RassismusTötet! in Oschatz:

André K. wurde am 27.05.2011 am Oschatzer Südbahnhof von 5 jungen Erwachsenen so brutal zusammengeschlagen, dass er ein paar Tage später im Krankenhaus verstarb. André K. war Oschatzer und wohnungslos.

Das Oschatzer Bündnis für Demokratie beobachtete den gesamten Totschlagprozess gegen die Täter und initiierte bereits Gedenkveranstaltung vor Ort.

In diesem Jahr wird es wieder eine Gedenkveranstaltung der Oschatzer BürgerInnen am Tatort geben als Mahnung an die Lebenden, sich mit Gewalt gegen Minderheiten in unserer Gesellschaft auseinander- und ihr aktiv etwas entgegenzusetzen.

Zu diesem Anlass wird vor Ort eine Gedenktafel installiert.

Im Anschluss findet um 19 Uhr im Soziokulturellen Zentrum E-Werk Oschatz eine Informationsveranstaltung zum Prozessverlauf, zu den ideoligischen Tathintergründen, sowie zur politischen Einordnung statt. Geladen sind ReferentInnen der Leipziger Initiative “Rassismus tötet”.

*Der Veranstalter behält sich das Recht vor, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen / Gruppen, welche durch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind oder treten, von der Veranstaltung auszuschließen bzw. ihnen den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren!

Info und Ticketverkauf: Demo am 25.5. in Solingen und Berlin!

Heute 18 Uhr im Linxxet (Bornaische Straße 3d) kurzfristige Info-Veranstaltung zu den Demonstrationen in Berlin (www.fightracismnow.net) und Solingen (www.solingen93.org) mit der Möglichkeit Tickets zu erwerben

Damals wie heute: Das Problem heißt Rassismus! Kein Vergeben, kein Vergessen!
Demo am 25.5. in Solingen und Berlin!

Von der faktischen Abschaffung des Asylrechts über die Drittstaatenlösung zu Dublin II – No-Border-Bewegungen in Europa

Info-/ Diskussions- und Soliveranstaltung mit Vokü und Cocktails für No-Border-Bewegungen

Im Rahmen der antirassistischen Aktionstage in Leipzig (11.05.- 18.05.) in Zusammenarbeit mit “Rassismus tötet!” Leipzig (mehr Infos zur Aktionswoche) wollen wir über aktuelle No-Border-Bewegungen in Europa informieren und diskutieren. Wir wollen hierbei den Bogen schlagen von der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl in der BRD 1993, die in den Aktionstagen thematisiert wird, zu der Europäisierung dieser restriktiven Asylpolitik. Als Reaktion darauf hat sich auch der Widerstand gegen diese in den letzten Jahren zunehmend transnationalisiert.

Mit der Änderung des Grundgesetzes in der BRD kam es zur Einführung der sogenannten Drittstaatenlösung und später mit den Dublin-Abkommen zur Erweiterung dieser Grenzpolitik auf europäischer Ebene. Doch diese rassistische, restriktive Grenzpolitik hat nicht nur schwerwiegende Folgen für Migrant*innen an den EU-Außen- und Schengenraumgrenzen. Migrant*innen reagieren auf diese mit neuen Wegen, Lösungen und vor allem einer transnational vernetzten Widerstandsbewegung. Widerstand von Migrant*innen und solidarischen Unterstützer*innen gegen das europäische Grenzregime ereignet sich nicht nur an den Grenzen der “Festung”, sondern auch in den Zentren Europas. Wie diese No-Border-Bewegungen aussehen können und welche Perspektiven diese in Transit- und Ankunftsländern (wie der BRD) haben können, wollen wir mit euch diskutieren.

Außerdem wird es eine leckere vegane Vokü und Soli-Cocktails geben. Die Einnahmen werden wir dem Refugee Camp Vienna spenden.  (http://refugeecampvienna.noblogs.org/)

Also kommt zahlreich und diskutiert, esst und trinkt mit uns!

 

 

Antirassistischer Stadtrundgang in Leipzig eröffnet Antirassistische Aktionstage

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Am Samstag (11.05.2013) eröffnete ein antirassistischer Stadtrundgang unter dem Motto “Rassistische Normalität in Leipzig – Eine Spurensuche” die Antirassistischen Aktionstage der Kampagne Rassismus Tötet!. Eine ausführliche Nachbetrachtung findet ihr auf der Seite von Rassismus Tötet! Leipzig und dem Blog von Juliane Nagel.

Der Stadtrundgang begann in der Prage Straße vor der sogenanneten Ausländerbehörde mit einem Redebeitrag von grenzenlos, den es hier nun zum nachlesen gibt:

Wir stehen hier vor der Ausländerbehörde, einem zentralen Ort des institutionellen Rassismus in Leipzig.

IMG_8131“Leipzig ist eine weltoffene Stadt”. Das sind die ersten Worte auf der Homepage der Leipziger “Ausländerbehörde”. Doch nette Worte machen eine Stadt nicht “weltoffen” und eine Institution wie die A-Behörde schon gar nicht. Vielmehr ist die A-Behörde ein Beispiel für einen Ort, in dem institutioneller Rassismus ausgeübt wird. Die Verfasserinnen dieses Redebeitrags sind sowohl Menschen mit als auch ohne Erfahrungen mit institutionellem Rassismus. Wir möchten in unserem Beitrag über diesen Begriff sprechen und anhand eigener Erfahrungen z.B. mit der Ausländerbehörde Kritik an ihr üben.

Von institutionellem Rassismus sind alle Menschen betroffen, die von der Mehrheitsgesellschaft als nicht-Deutsch wahrgenommen werden. Unser Fokus liegt auf der Ausländerbehörde und den Erfahrungen von Asylbewerber*innen mit ihr und anderen rassistischen Institutionen.

Institutioneller Rassismus heißt, dass Menschen die von der Mehrheitsgesellschaft als nicht-Deutsch angesehen werden vom Staat, von Behörden, von der Polizei usw. anders behandelt werden als weiße Deutsche. Sie haben nicht dieselben Rechte und vieles wird ihnen schwer gemacht. Als nicht-deutsch wahrgenommene Menschen werden in Deutschland vom Staat diskriminiert.

Das können rassistische Praxen sein, also die Art und Weise, wie staatliche Behörden handeln, und das können rassistische Denkweisen sein. Institutioneller Rassismus wird festgeschrieben in Gesetzen und Strukturen. Das heißt Rassismus bestimmt (auch), wie der deutsche Staat aufgebaut ist.

Viele Menschen denken, dass Staat und Gesetze demokratisch sind und dass sie nicht verändert werden können. Sie sehen deshalb in institutionellem Rassismus gar keinen Rassismus, sie haben keine Zweifel daran, wie der Staat handelt, sondern finden das alles normal. Die meisten (deutschen) Leute denken, es kann nur so sein, wie es ist. Sie fragen nicht, warum zum Beispiel Asylbewerber und Asylbewerberinnen in Heimen leben müssen oder warum Menschen ohne deutschen Pass nicht wählen dürfen, auch wenn sie schon seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland leben.

Institutionellen Rassismus gibt es aber immer zusammen mit gesellschaftlichem Rassismus einzelner Menschen oder Gruppen. Institutioneller Rassismus und gesellschaftlicher Rassismus verstärken sich gegenseitig und hängen zusammen.

IMG_8137Einfach gesagt: Weil es Grenzen gibt und Nationalstaaten, denken die Menschen in einem Staat, dass sie zusammengehören und eine Nation oder ein Volk sind. Sie grenzen sich von anderen Nationen ab und denken, dass Leute die in anderen Staaten geboren sind, Leute die keinen deutschen Pass haben oder einfach Leute, deren Eltern nicht deutsch sind oder in ihren Augen so aussehen, anders sind als sie.

Damit haben die Menschen die Grenzen im Kopf – das ist Rassismus. Wenn Leute denken, “die Ausländer” sind die anderen, dann denken sie immer auch, diese anderen sind weniger wert und sollen weniger Rechte haben als Deutsche. Das haben Deutsche in den 90er Jahren in schrecklichen rassistischen Protesten zum Ausdruck gebracht.

Es gibt ohnehin viele Gesetze, die es für Menschen ohne deutschen Pass sehr schwer machen, legal in Deutschland leben zu können, in Deutschland Asyl zu bekommen und schließlich einen deutschen Pass zu kriegen.

Vor 20 Jahren war es noch nicht so schwierig, Asyl zu bekommen. Nach den rassistischen Protesten in den 90er Jahren wurden die Asylgesetze verschärft. Seitdem können Asylbewerber*innen kein Asyl bekommen, wenn sie schon in einem anderen EU-Land waren.

Allein die Existenz der Ausländerbehörde macht eine Unterscheidung zwischen Menschen mit und Menschen ohne deutschen Pass auf. Konkreter führt die Ausländerbehörde Gesetze aus, die andere Menschen unterdrücken und es ihnen beinahe unmöglich machen legal und menschenwürdig in Deutschland zu leben.

IMG_8094So entscheidet sie z.B. darüber, ob ein Mensch ohne deutschen Pass einen Urlaubsschein bekommt, der es ihm*ihr ermöglicht Leipzig zu verlassen, sei es auch nur für einen kurzen Besuch in einer anderen deutschen Stadt. Eine solche Urlaubsbescheinigung wird gar nicht ausgestellt, wenn die Person keine Meldebescheinigung eines Familienmitglieds oder Freundes aus der anderen Stadt vorweisen kann, um zu beweisen, dass der Ausflug auch einen Grund hat.

Asylbewerber*innen dürfen keiner normalen Lohnarbeit nachgehen. Einer der Autoren dieses Beitrags suchte Arbeit und landete für einige Monate in einem Ein-Euro-Job. Wo er neben Deutschen arbeitete, die einen normalen Lohn bekamen. Dies war für ihn die einzige Möglichkeit überhaupt zu arbeiten.

Ein Jahr nach der Asylantragsstellung können Asylbewerber*innen ein 20Std Arbeitsverhältnis eingehen – jedoch nur, wenn sich keine “Deutschen” für den jeweiligen Job finden lassen.

Ähnlichschwierig ist es bei der Wohnungssuche. Wenn die Erlaubnis nicht in einem Heim wohnen zu müssen überhaupt erteilt wird, muss die Wohnung bestimmten Vorraussetzungen entsprechen. Diese machen es sehr schwer eine geeignete Wohnung zu finden. Außerdem liegt es in Leipzig an der Tagesordnung, dass Abhängige des Asylbewerberleistungsgesetzes auf der Wohnungssuche oftmals rassistischen Vermieter*innen ausgesetzt sind.

Ständige Auseinandersetzungen mit der rassistischen deutschen Bürokratie sind z.b. die Nicht-Anerkennung von Zeugnissen aus Herkunftsländern und die Verhinderung von Familiennachzug. Die Sprachkurse, die Asylbewerber*innen angeboten werden heißen ironischerweise Integrationskurse, wobei ihnen der Zugang zur deutschen Mehrheitsgesellschaft strukturell erschwert wird.

IMG_8066Aber zurück zur Ausländerbehörde, einem zentralen Ort des institutionellen Rassismus. Hinter dieser Glasfassade werden wichtige Entscheidungen über das Leben von Menschen getroffen. Dabei haben Angestellte der A-Behörde einen großen Handlungs- und Interpretationsspielraum. Übermüdete und gestresste Menschen entscheiden z.B. über Aufenthaltstitel anderer Menschen. Die A-Behörde ist ein Ort, an dem Menschen ohne deutschen Pass entrechtet und bevormundet werden. Dabei setzt sie Menschen ohne deutschen Pass einem enormen psychischen Druck aus.

Wir möchten dagegen heute ein Zeichen der Solidarität setzen und der staatlichen, rassistischen Abgrenzung ,die durch die A-behörde umgesetzt wird eine klare Absage erteilen.

Bleiberecht für alle – ganz ohne Schikane!
A-Behörde abschaffen!

Kundgebung in Wahren: zum Gedenken an Bernd G. und gegen Homophobie

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Am Dienstag Abend, 17 Jahre nach dem Mord an Bernd G. durch drei Neonazis demonstrierten in Leipzig-Wahren etwa 40 Menschen um auf rechte Morde im Allgemeinen, aber auch insbesondere Homophobie als Motivation nazistischer Gewalt aufmerksam zu machen.

 

Hier der Aufruf der Kampagne Rassismus Tötet:

Gegen das Vergessen

Demo Pittlerstr 1Seit 1990 wurden mindestens sechs Menschen in Leipzig durch Nazis getötet. In der strafrechtlichen Aufarbeitung der meisten Fälle spielten rassistische, homophobe oder sozialdarwinistische Motive der Täter keine Rolle. Weder explizite Äußerungen während der Taten, noch die offensichtliche Nähe der Mörder zur organisierten Neonazi-Szene hatten auf den Prozessverlauf einen Einfluss. Nicht nur vor Gericht wurden die Motivation und der Hintergrund der Täter ausgeblendet:
Die fehlende Anerkennung als Opfer rechter Gewalt in konkreten Prozessen und offiziellen Statistiken hat ein fehlendes Bewusstsein in der Gesellschaft, den Medien und auch bei potentiell Betroffenen und ihren Unterstützer_innen zur Folge. In den offiziellen Statistiken werden diese Morde nicht als das anerkannt, was sie eigentlich sind: rechte Morde. So wurde bisher nur einer dieser Fälle als rechtsmotiviert in den Statistiken des Bundesinnenministeriums aufgeführt.

Diese allgemeine Ignoranz gilt es zu problematisieren und zu skandalisieren, damit keiner der von Nazis Ermordeten – Klaus R., Bernd G., Achmed B., Nuno L., Karl-Heinz T., Kamal K. und jene, deren Namen bisher unbekannt sind – in Vergessenheit gerät.

Der Mord an Bernd G.

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Der Fall eines dieser Opfer – der vor 17 Jahren ermordete Bernd G. – soll als Anlass dienen, um auf rechte Morde im Allgemeinen, aber auch insbesondere Homophobie als Motivation nazistischer Gewalt aufmerksam zu machen. In diesem Kontext wollen wir den abscheulichen Mord thematisieren und des Bernd G. gedenken.

Bis zum Jahr 1996 betreibt der damals 43-jährige Bernd G. in Leipzig-Wahren gemeinsam mit seinem Lebensgefährten einen Laden und steht offen zu seiner homosexuellen Lebensweise. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai wird Bernd G. von drei Nazis ermordet. Nach einem Besäufnis treffen die Täter am Wahrener Rathaus auf Bernd G., beschimpfen ihn zunächst mit homophoben Äußerungen und ermorden ihn anschließend auf bestialische Art und Weise. Danach rufen sie einen Bekannten an, der den Leichnam in einen Steinbruch in Ammelshain bei Leipzig wirft. Erst zehn Tage später wird die Leiche gefunden.

»In dieser Umgebung fühlen sich Faschos sicher und wohl« (Klarofix, 1996)

Der damalige »Schwulenbeauftragte« der Stadt Leipzig bezeichnet Wahren als »Zentrum rechter Übergriffe auch auf Schwule«. Dennoch findet das homophobe Motiv der Täter in der öffentlichen Debatte keinerlei Beachtung. Nach dem Leichenfund sucht die Polizei zunächst nach Spuren im sogenannten »Schwulenmilieu«. Auch die anfangs zuständige Kripo Grimma ermittelt ausschließlich im persönlichen Umfeld des Opfers. Erst eine videografische Aufnahme, die einen der Mittäter beim Benutzen der Geldkarte des Bernd G. zeigt, bringt die Polizei auf die Spur der vier Nazis.
Die Anwohner_innen von Wahren wollen in der Tatnacht weder etwas Ungewöhnliches gesehen, noch gehört haben. Sie seien an den Lärm nächtlicher Auseinandersetzungen und Hilferufe gewöhnt, so die öffentliche Erklärung. Rassistische, sozialdarwinistische und homophobe Äußerungen und Gewalttaten scheinen für sie zumindest nicht weiter problematisch, oder scheinen gar wie bei den Tätern Teil des eigenen Weltbildes zu sein.

Auch im anschließenden Gerichtsprozess spielt der rechte Hintergrund der Täter keine Rolle: Weder eine Razzia im Umfeld der Täter in der Gottlaßstraße 5 (unmittelbar am Tatort gelegen), bei der rechtes Propagandamaterial sichergestellt wird, noch der stetige Besuch einschlägig bekannter Neonazis an den Prozesstagen veranlassen das Gericht dazu, die Motivlage der Täter ernst zu nehmen. In der Urteilsbegründung verweist der Richter letztlich auf »Lust und Laune an körperlicher Misshandlung « als Tatmotiv.

Im anschließenden Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof werden der Hauptschuldige zu vierzehneinhalb Jahren und seine beiden Komplizen zu acht bis zehn Jahren Haft verurteilt.

Homophobie als gesamtgesellschaftliches Problem

Homophobie hat eine lange historische Tradition in Deutschland. Im Nationalsozialismus erfuhr das Ressentiment eine mörderische Radikalisierung, Homosexualität galt als »volksfeindlich « und »widernatürlich«. Mit Hilfe einer Verschärfung des §175 im Strafgesetzbuch stellten die Nationalsozialisten jede homosexuelle Handlung beziehungsweise schon deren Anbahnung unter Strafe und leiteten eine systematische Verfolgung schwuler Männer ein.
Während Homosexualität bei Frauen infolge des hierarchischen, männerfixierten Geschlechterbilds der Nazis geächtet, jedoch nur in Ausnahmen verfolgt wurde, verschleppten die Nazis tausende schwule Männer in Konzentrationslager. Vermutlich 60 Prozent der mit einem Rosa Winkel gekennzeichneten Inhaftierten wurden dort ermordet. In der Nachkriegszeit galt der verschärfte §175 in der BRD bis 1969 unverändert weiter und wurde erst 1994 gänzlich abgeschafft, in der DDR galt die nicht-verschärfte Variante des Paragrafen bis 1968. Die Rehabilitation oder gar eine Entschädigung daraufhin Verurteilter steht bis heute aus.
Auch gegenwärtig werden heterosexuelle Beziehungen als »natürlich«, homosexuelle demgegenüber als »widernatürlich « wahrgenommen. Solche Argumente gehen oft mit reaktionären Ansichten einher und knüpfen häufig an religiöse Wertvorstellungen an. Menschen, die ihre Homosexualität offen leben, erfahren oft gesellschaftlichen Ausschluss oder sind wegen ihrer Lebensweise körperlicher Gewalt ausgesetzt.
Auch wenn nicht-heterosexuelle Lebensvorstellungen heute weitgehend akzeptiert scheinen und vor allem von institutioneller Seite liberaler behandelt werden, bleiben diese Emanzipationsprozesse immer prekär und können Betroffene alltäglicher Diskriminierung nur begrenzt schützen. In aktuellen Debatten um die fortschreitende Gleichstellung unabhängig von der sexuellen Orientierung wurden die entsprechenden Vorbehalte erneut deutlich, in Deutschland musste diese deshalb vom Bundesverfassungsgericht verordnet und in Frankreich gegen die Massenmobilisierung reaktionärer Teile der Bevölkerung durchgesetzt werden. Dementsprechend halten sich Vorstellungen, die Homosexualität als »krank« und »behandlungsbedürfdig « darstellen.

So sind etwa Mitglieder der sächsischen CDU wiederholt durch solche Äußerungen aufgefallen, zuletzt bei einem pseudowissenschaftlichen »Umpolungsseminar « von Dr. med. Christl Ruth Vonholdt, die »Heilungsmöglichkeiten« und deren Umsetzung propagiert. Die mangelnde Akzeptanz anderer Lebensvorstellungen kann dabei schnell in offene Gewalt gegenüber Homosexuellen übergehen. Die Täter sehen sich oft als Verteidiger eines rassistisch und natürlich begründeten Kollektivs, dem Homosexualität als schädlich, krank oder gar lebensunwert erscheint und in dem Homosexuelle ihre vermeintliche Reproduktionspflicht innerhalb der Gesellschaft nicht erfüllen.

Wie auch bei anderen Betroffenen rechter Gewalt geht die gesellschaftliche Stigmatisierung so den konkreten Gewalttaten voraus. Dass sich die Gewalt jedoch keineswegs willkürlich gegen bestimmte Menschen richtet, wird wie im Fall des Bernd G. oft ausgeblendet.

Wahrener Zustände heute

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Der Wunsch einer »gesunden« oder gar »reinen« Gemeinschaft lässt sich in der aktuellen Debatte um die Unterkünfte von Asylsuchenden in Leipzig exemplarisch am Stadtteil Wahren beobachten. Kurz nach Bekanntwerden der geplanten Auflösung der bisherigen Wohnheime und der geplanten Dezentralisierung der Unterkünfte, im deren Zuge auch eine Unterkunft in der Pittlerstraße in Wahren eingerichtet werden soll, machten Teile der ansässigen Bevölkerung dagegen mobil, in dem sie eine öffentlich auftretende Bürgerinitiative gründeten.

Diese argumentiert mit einer vermeintlich ansteigenden Kriminalität, mit dem erwarteten Wertverlust ihrer Grundstücke und dem Zerfall der eigenen Scholle.
Im O–Ton liest sich das dann wie folgt: »Das tausendjährige Wahren besitzt noch heute einen malerischen alten Ortskern mit dörflichen Siedlungsstrukturen. Die Bürgerinitiative Wahren setzt sich für den Erhalt Wahrens und umliegender Ortsteile als historisch gewachsenes Wohngebiet mit homogener sozio-kultureller Bevölkerungsstruktur ein.«
Die oberflächliche Abgrenzung zur Kundgebung der NPD im Rahmen ihrer »Aktionstage gegen Asylmissbrauch, Überfremdung und Islamisierung« Ende vergangenen Jahres in der Pittlerstraße sollte jedoch nicht verwundern. Anknüpfungspunkte finden sich zuhauf, auch wenn die Bürgerinitiative stets um das Image aufrechter Demokrat_innen bemüht und Sorge um einen »sozialen Brennpunkt mit offener Konfrontation von Rechts- und Linksextremisten« verlauten lässt. Ressentiments bleiben die Grundlage der Argumentation und es gilt zu verhindern, dass verbal geäußerte Ablehnung bei der Öffnung des Heims in offene Gewalt umschlägt.
Anlässlich des Gedenkens an die Opfer rechter Gewalt wird am 7. Mai um 17 Uhr eine Kundgebung in Gedenken an Bernd G. und gegen Homophobie in der Gottlaßstraße am Rathaus Wahren stattfinden. Da sich an der derzeitigen Debatte um die Dezentralisierung der Asylunterkünfte zeigt, dass die Wahrener Zustände auch heute noch von der Vorstellung einer homogenen Gemeinschaft geprägt sind, soll im Anschluss daran in die Pittlerstraße, wo das zukünftige Heim für Asylsuchende entstehen soll, zu einer zweiten Kundgebung gelaufen werden.

Gegen Homophobie und das Vergessen – gegen die Wahrener Zustände, damals wie heute!
Bernd G. als Opfer rechter Gewalt anerkennen!

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