Daily Archive for Tuesday, May 14th, 2013

Von der faktischen Abschaffung des Asylrechts über die Drittstaatenlösung zu Dublin II – No-Border-Bewegungen in Europa

Info-/ Diskussions- und Soliveranstaltung mit Vokü und Cocktails für No-Border-Bewegungen

Im Rahmen der antirassistischen Aktionstage in Leipzig (11.05.- 18.05.) in Zusammenarbeit mit “Rassismus tötet!” Leipzig (mehr Infos zur Aktionswoche) wollen wir über aktuelle No-Border-Bewegungen in Europa informieren und diskutieren. Wir wollen hierbei den Bogen schlagen von der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl in der BRD 1993, die in den Aktionstagen thematisiert wird, zu der Europäisierung dieser restriktiven Asylpolitik. Als Reaktion darauf hat sich auch der Widerstand gegen diese in den letzten Jahren zunehmend transnationalisiert.

Mit der Änderung des Grundgesetzes in der BRD kam es zur Einführung der sogenannten Drittstaatenlösung und später mit den Dublin-Abkommen zur Erweiterung dieser Grenzpolitik auf europäischer Ebene. Doch diese rassistische, restriktive Grenzpolitik hat nicht nur schwerwiegende Folgen für Migrant*innen an den EU-Außen- und Schengenraumgrenzen. Migrant*innen reagieren auf diese mit neuen Wegen, Lösungen und vor allem einer transnational vernetzten Widerstandsbewegung. Widerstand von Migrant*innen und solidarischen Unterstützer*innen gegen das europäische Grenzregime ereignet sich nicht nur an den Grenzen der “Festung”, sondern auch in den Zentren Europas. Wie diese No-Border-Bewegungen aussehen können und welche Perspektiven diese in Transit- und Ankunftsländern (wie der BRD) haben können, wollen wir mit euch diskutieren.

Außerdem wird es eine leckere vegane Vokü und Soli-Cocktails geben. Die Einnahmen werden wir dem Refugee Camp Vienna spenden.  (http://refugeecampvienna.noblogs.org/)

Also kommt zahlreich und diskutiert, esst und trinkt mit uns!

 

 

Antirassistischer Stadtrundgang in Leipzig eröffnet Antirassistische Aktionstage

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Am Samstag (11.05.2013) eröffnete ein antirassistischer Stadtrundgang unter dem Motto “Rassistische Normalität in Leipzig – Eine Spurensuche” die Antirassistischen Aktionstage der Kampagne Rassismus Tötet!. Eine ausführliche Nachbetrachtung findet ihr auf der Seite von Rassismus Tötet! Leipzig und dem Blog von Juliane Nagel.

Der Stadtrundgang begann in der Prage Straße vor der sogenanneten Ausländerbehörde mit einem Redebeitrag von grenzenlos, den es hier nun zum nachlesen gibt:

Wir stehen hier vor der Ausländerbehörde, einem zentralen Ort des institutionellen Rassismus in Leipzig.

IMG_8131“Leipzig ist eine weltoffene Stadt”. Das sind die ersten Worte auf der Homepage der Leipziger “Ausländerbehörde”. Doch nette Worte machen eine Stadt nicht “weltoffen” und eine Institution wie die A-Behörde schon gar nicht. Vielmehr ist die A-Behörde ein Beispiel für einen Ort, in dem institutioneller Rassismus ausgeübt wird. Die Verfasserinnen dieses Redebeitrags sind sowohl Menschen mit als auch ohne Erfahrungen mit institutionellem Rassismus. Wir möchten in unserem Beitrag über diesen Begriff sprechen und anhand eigener Erfahrungen z.B. mit der Ausländerbehörde Kritik an ihr üben.

Von institutionellem Rassismus sind alle Menschen betroffen, die von der Mehrheitsgesellschaft als nicht-Deutsch wahrgenommen werden. Unser Fokus liegt auf der Ausländerbehörde und den Erfahrungen von Asylbewerber*innen mit ihr und anderen rassistischen Institutionen.

Institutioneller Rassismus heißt, dass Menschen die von der Mehrheitsgesellschaft als nicht-Deutsch angesehen werden vom Staat, von Behörden, von der Polizei usw. anders behandelt werden als weiße Deutsche. Sie haben nicht dieselben Rechte und vieles wird ihnen schwer gemacht. Als nicht-deutsch wahrgenommene Menschen werden in Deutschland vom Staat diskriminiert.

Das können rassistische Praxen sein, also die Art und Weise, wie staatliche Behörden handeln, und das können rassistische Denkweisen sein. Institutioneller Rassismus wird festgeschrieben in Gesetzen und Strukturen. Das heißt Rassismus bestimmt (auch), wie der deutsche Staat aufgebaut ist.

Viele Menschen denken, dass Staat und Gesetze demokratisch sind und dass sie nicht verändert werden können. Sie sehen deshalb in institutionellem Rassismus gar keinen Rassismus, sie haben keine Zweifel daran, wie der Staat handelt, sondern finden das alles normal. Die meisten (deutschen) Leute denken, es kann nur so sein, wie es ist. Sie fragen nicht, warum zum Beispiel Asylbewerber und Asylbewerberinnen in Heimen leben müssen oder warum Menschen ohne deutschen Pass nicht wählen dürfen, auch wenn sie schon seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland leben.

Institutionellen Rassismus gibt es aber immer zusammen mit gesellschaftlichem Rassismus einzelner Menschen oder Gruppen. Institutioneller Rassismus und gesellschaftlicher Rassismus verstärken sich gegenseitig und hängen zusammen.

IMG_8137Einfach gesagt: Weil es Grenzen gibt und Nationalstaaten, denken die Menschen in einem Staat, dass sie zusammengehören und eine Nation oder ein Volk sind. Sie grenzen sich von anderen Nationen ab und denken, dass Leute die in anderen Staaten geboren sind, Leute die keinen deutschen Pass haben oder einfach Leute, deren Eltern nicht deutsch sind oder in ihren Augen so aussehen, anders sind als sie.

Damit haben die Menschen die Grenzen im Kopf – das ist Rassismus. Wenn Leute denken, “die Ausländer” sind die anderen, dann denken sie immer auch, diese anderen sind weniger wert und sollen weniger Rechte haben als Deutsche. Das haben Deutsche in den 90er Jahren in schrecklichen rassistischen Protesten zum Ausdruck gebracht.

Es gibt ohnehin viele Gesetze, die es für Menschen ohne deutschen Pass sehr schwer machen, legal in Deutschland leben zu können, in Deutschland Asyl zu bekommen und schließlich einen deutschen Pass zu kriegen.

Vor 20 Jahren war es noch nicht so schwierig, Asyl zu bekommen. Nach den rassistischen Protesten in den 90er Jahren wurden die Asylgesetze verschärft. Seitdem können Asylbewerber*innen kein Asyl bekommen, wenn sie schon in einem anderen EU-Land waren.

Allein die Existenz der Ausländerbehörde macht eine Unterscheidung zwischen Menschen mit und Menschen ohne deutschen Pass auf. Konkreter führt die Ausländerbehörde Gesetze aus, die andere Menschen unterdrücken und es ihnen beinahe unmöglich machen legal und menschenwürdig in Deutschland zu leben.

IMG_8094So entscheidet sie z.B. darüber, ob ein Mensch ohne deutschen Pass einen Urlaubsschein bekommt, der es ihm*ihr ermöglicht Leipzig zu verlassen, sei es auch nur für einen kurzen Besuch in einer anderen deutschen Stadt. Eine solche Urlaubsbescheinigung wird gar nicht ausgestellt, wenn die Person keine Meldebescheinigung eines Familienmitglieds oder Freundes aus der anderen Stadt vorweisen kann, um zu beweisen, dass der Ausflug auch einen Grund hat.

Asylbewerber*innen dürfen keiner normalen Lohnarbeit nachgehen. Einer der Autoren dieses Beitrags suchte Arbeit und landete für einige Monate in einem Ein-Euro-Job. Wo er neben Deutschen arbeitete, die einen normalen Lohn bekamen. Dies war für ihn die einzige Möglichkeit überhaupt zu arbeiten.

Ein Jahr nach der Asylantragsstellung können Asylbewerber*innen ein 20Std Arbeitsverhältnis eingehen – jedoch nur, wenn sich keine “Deutschen” für den jeweiligen Job finden lassen.

Ähnlichschwierig ist es bei der Wohnungssuche. Wenn die Erlaubnis nicht in einem Heim wohnen zu müssen überhaupt erteilt wird, muss die Wohnung bestimmten Vorraussetzungen entsprechen. Diese machen es sehr schwer eine geeignete Wohnung zu finden. Außerdem liegt es in Leipzig an der Tagesordnung, dass Abhängige des Asylbewerberleistungsgesetzes auf der Wohnungssuche oftmals rassistischen Vermieter*innen ausgesetzt sind.

Ständige Auseinandersetzungen mit der rassistischen deutschen Bürokratie sind z.b. die Nicht-Anerkennung von Zeugnissen aus Herkunftsländern und die Verhinderung von Familiennachzug. Die Sprachkurse, die Asylbewerber*innen angeboten werden heißen ironischerweise Integrationskurse, wobei ihnen der Zugang zur deutschen Mehrheitsgesellschaft strukturell erschwert wird.

IMG_8066Aber zurück zur Ausländerbehörde, einem zentralen Ort des institutionellen Rassismus. Hinter dieser Glasfassade werden wichtige Entscheidungen über das Leben von Menschen getroffen. Dabei haben Angestellte der A-Behörde einen großen Handlungs- und Interpretationsspielraum. Übermüdete und gestresste Menschen entscheiden z.B. über Aufenthaltstitel anderer Menschen. Die A-Behörde ist ein Ort, an dem Menschen ohne deutschen Pass entrechtet und bevormundet werden. Dabei setzt sie Menschen ohne deutschen Pass einem enormen psychischen Druck aus.

Wir möchten dagegen heute ein Zeichen der Solidarität setzen und der staatlichen, rassistischen Abgrenzung ,die durch die A-behörde umgesetzt wird eine klare Absage erteilen.

Bleiberecht für alle – ganz ohne Schikane!
A-Behörde abschaffen!

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