Demonstration im Leipziger Zentrum zur Solidaritätsbekundung mit Flüchtlingen in Tunesien

Demonstration im Leipziger Zentrum zur Solidaritätsbekundung mit Flüchtlingen in Tunesien. Jenseits aller Aufmerksamkeit leben 3.000 Flüchtlinge in Wartestellung – seit mehr als einem Jahr im Choucha-Lager. Sie rufen dazu auf, dass man jetzt endlich eine Lösung findet.


Am Montag den 14.05.2012 fand im Flüchtlingslager Choucha in Tunesien eine Demonstration von Flüchtlingen, die vom UNHCR abgelehnt wurden, statt. Als Zeichen der Solidarität mit den kämpfenden Flüchtlingen gab es am Nachmittag im Leipziger Zentrum eine Demonstration der Initiative Grenzenlos. Nach einer Informationskundgebung am Kleinen Willy-Brandtplatz zog die Demonstration durch die Leipziger Innenstadt, wo sich weitere DemonstrationsteilnehmerInnen anschlossen und Flyer verteilt wurden.

Die Demonstration in Choucha stellte einen Teil der Proteste von Flüchtlingen in Choucha gegen ihre perspektivlose Situation dar.
Nachdem ihre Asylanträge vom UNHCR abgelehnt wurden, oder nachdem sie zwar anerkannt wurden, aber ihr Resettlement in ein anderes Land verweigert wurde, stellen sie klar, dass sie nicht in ihr Herkunftsland zurückreisen können. Irregulär in Tunesien zu bleiben oder nach Libyen zurückzukehren sind ihre einzigen Optionen, zu denen sie kurzfristig gezwungen sind.
Im Frühjahr 2011 hat Tunesien Hunderttausende Personen größtenteils über das Choucha-Lager aufgenommen. 2.747  Personen in Choucha sind anerkannte Flüchtlinge, 273 Asylanträge wurden abgelehnt, 156 warten auf ihre Registrierung und auf die Entscheidung über ihren Asylantrag.

Die Personen, deren Asylanträge abgelehnt wurden

Es sind 273 Personen, u.a. TschadierInnen, SudanesInnen, NigerianerInnen, IvoirInnen und ÄthiopierInnen. Sie akzeptieren die Antragsablehnungen nicht und berufen sich auf Verfahrensfehler, auf die Unmöglichkeit, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren und auf sehr lange Verzögerungen. Die Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnungsentscheidungen wurden durchgeführt, ohne den Betroffenen schriftliche Begründungen der Ablehnungen zu geben, und es war dieselbe Instanz, die die Ablehungen ausgesprochen hat: der UNHCR. Man kann daher kaum von einem echten Recht auf Widerspruch sprechen.
Für den UNHCR befinden sich diese Personen nicht mehr unter ihrem Mandat. Daher befinden sich diese Personen, wenn sie nicht die Rückkehr in ihre Herkunftsländer akzeptieren, zwangsweise „illegal“ in Tunesien oder müssen nach Libyen ausreisen – auch wenn sie mehrheitlich keine Pässe haben. Das sind keine Lösungen!

Anerkannte Flüchtlinge, die aber kein Resettlement erlangen

Einige vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge befinden sich in derselben Situation. Ihr Status gibt ihnen keinerlei Recht auf Resettlement, und Tunesien, das eine grosse Umbruchsphase durchmacht, hat noch kein Asylrecht.
Das Resettlement-Programm des UNHCR hat kaum Echo gefunden und wurde am 1. Dezember 2011 beendet. 858 Anträge wurden akzeptiert, 1.738 Anträge sind bei verschiedenen Staaten anhängig, 66 laufen gerade. Die Mehrheit der Staaten wenden restriktive Kriterien beim Resettlement-Programm an. Insbesondere die europäischen Staaten haben nur eine geringe Zahl von UNHCR-anerkannten Flüchtlingen akzeptiert.

Choucha als Internierungslager?

Das Fehlen einer Lösung für diese Personen sorgt dafür, dass dieses Lager womöglich noch sehr lang fortbestehen wird. Dabei war es als Provisorium entstanden. Es kommt der Eindruck auf, dass man dort Flüchtlinge einweist, die niemand aufnehmen will.
So wurden im letzten März 74 SomalierInnen, die mit dem Schiff von Libyen nach Italien aufgebrochen waren, von der tunesischen Marine nach Choucha eingewiesen. Diese Personen sind nie zuvor in Choucha oder in Tunesien gewesen. Solche Praktiken geben der Vermutung Nahrung, dass sich dieses Lager in ein Internierungslager für Flüchtlinge verwandelt.

Wir sprechen hier von 3.000 Personen, die aus ihren Herkunftsländern und dann vor dem Krieg aus Libyen geflohen sind, und die nun gezwungen sind, seit einem Jahr mitten in der Wüste zu leben. Was bedeutet die Aufnahme von einigen hundert Flüchtlingen für die Staaten des Nordens? Der Glaube an den „Pull-Faktor“ und der Kampf gegen die sogenannte illegale Migration verwandeln sich hier in schlimme Realität.

Die kämpfenden Flüchtlinge in Choucha rufen dazu auf, die laufenden Resettlement-Verfahren zu beschleunigen und ein neues Resettlement-Programm aufzulegen, das diejenigen einschließt, deren Asylanträge abgelehnt oder die nach dem 1. Dezember 2011 registriert wurden. Sie appellieren an den UNHCR, die Ablehnung der Asylanträge zu revidieren und schriftliche sowie präzise Begründungen der Ablehnungen zu liefern, damit ein echtes Widerspruchsrecht in Anspruch genommen werden kann.
“Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, werden wir in den Flogewochen weiter demonstrieren, bis der UNHCR und die internationale Gemeinschaft nicht mehr weghören kann.” So ein Aktivist aus Choucha.
Wir betonen an dieser Stelle unsere Solidarität und unsere Unterstützung für die kämpfenden Flüchtlinge und appellieren an den UNHCR wie an die betreffenden Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen und Solidarität wie auch den politischen Willen zu akzeptablen Lösungen zu zeigen, auch jenseits der notwendigen Resettlement- Programme. Irregulär in Libyen zu bleiben oder nach Libyen auszureisen, sind keine akzeptablen Lösungen.

Initiative Grenzenlos, Boats4People

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